Sonntag, 31. März 2013

Sommerzeit + Schnee = Urlaub

"Was ist denn hier los?", war mein erster Gedanke, als ich heute morgen aus dem Fenster blickte und mir mein schon wieder schneebedeckter Garten zuzwinkerte. Leuchtendes Steingrau seit vielen Wochen, nicht enden wollende Nässe und Kälte hätten doch beinahe dazu geführt, dass sich mir Frohnatur die Stirn in unwillige Falten legt und meine Mundwinkel eine leichte Abwärtstendenz entwickeln. 

Wenn ....., ja, wenn nicht schon der Koffer gepackt wäre, Fotoapparat und Bücher (eines im Koffer und zwei im Handgepäck) verstaut sind und es in wenigen Stunden zum Flughafen geht.

Sonne, Meer (wenn auch noch zu kalt zum Baden), Blumen und ganz viel bunt - ich freu mich schon auf Malta! Die herrliche Altstadt, Museen, Kirchen und viele Fotomotive die nur darauf warten, von mir entdeckt zu werden.

Im Reiseführer habe ich gelesen, dass es am Sonntag einen tollen Flohmarkt in Valletta gibt - mein Liebster weiß noch nichts davon, aber den werden wir auf jeden Fall besichtigen. Es gibt ja kaum einen Trödelmarkt auf dem ich nicht irgendeine total überflüssige Kleinigkeit finde, die ich aber unbedingt haben muss. Vermutlich ist das so eine Art Virus gegen den es, glücklicherweise, kein Heilmittel gibt.  

Internetanschluss vorausgesetzt, werde ich nächste Woche einige Impressionen  aus Malta bloggen.



Montag, 25. März 2013

Venedig. Eine Verführung - Hanns-Josef Ortheil

Vor einigen Tagen spazierte ich durch die Buchhandlungen der Wiener Innenstadt, auf der Suche nach Reiseinformationen, abseits der üblichen Reiseführer, über Malta. Nun, über Malta habe ich nichts passendes gefunden, dafür fiel mir das schmale Büchlein "Venedig. Eine Verführung" von Hanns-Josef Ortheil, in einer Neuauflage aus dem Jahr 2012 in die Hände. Nach kurzem Durchblättern befand es sich auch schon in meiner Tasche. Selbstverständlich habe ich es davor bezahlt.

Seit vierzig Jahren lässt sich der Autor immer wieder aufs Neue von dieser Stadt verführen. Und er versteht es meisterhaft, den Leser an seiner Leidenschaft und Liebe für Venedig teilhaben zu lassen. Dieses Buch ist kein Reiseführer im herkömmlichen Sinn. Viele Erklärungen zu Kunst, Kultur und Geschichte sind auch in jedem anderen Reiseführer nachzulesen. Was dieses Buch jedoch zu einem Besonderen macht, ist der poetische, sinnliche, mit viel Hintergrundwissen und persönlichen Geschichten angereicherte Blickwinkel auf eine Stadt über die schon so viel geschrieben wurde. Immer wieder zeigt der Autor, welches Vergnügen es bereiten kann, Venedig mit allen Sinnen wahrzunehmen.

Das Buch beginnt mit dem Anflug auf die Stadt, der Vorfreude auf das Kommende und endet spät Nachts mit einem Rundgang durch die einsamen und ruhigen Straßen. Die dazwischen liegenden Stunden begleitet der Autor den Leser bei einem Spaziergang, nimmt ihn an der Hand und zeigt ihm die versteckten Schönheiten der Stadt.

Über schmale, verschlungene Gassen führt der Spaziergang von Campo zu Campo. Immer wieder gibt er Hinweise zu den vielen Kirchen, erzählt über Sakralkunst und darüber, dass Venedig seit jeher in Kirchenbezirke aufgeteilt war. Daher die vielen Kirchen. Er zeigt die kleinen, versteckten Bars in denen es die köstlichsten Cichetti gibt und in denen es lohnt, ein winziges Glas Wein zu trinken. Weiter geht es zum Fischmarkt, auf dem wir den salzigen Geruch der frischen Fische und deren Vielfalt genießen.

Der Autor und Genießer Ortheil verrät uns auch seine Lieblingslokale und deren Adressen. Einige Rezepte wie Risotto al radiccio rosso, Ossobuco alla Cipriani und zum Abschluss Sorbetto di fragole, verführen zum Nachkochen und erhöhen die Vorfreude auf den nächsten Italienbesuch.

Wir erfahren, dass Venedig im 16. Jahrhundert die Stadt des Buchdrucks war und damals in einem Jahr mehr Bücher hergestellt wurden, als in allen anderen italienischen Städten zusammen. Interessant und unterhaltsam erzählt er über venezianische Künstler, Wissenschaftler und Dichter. Er zeigt uns das Denkmal des größten Theaterdichters Venedigs, Goldoni, das für ihn zu den schönsten der Stadt zählt. Anschaulich beschreibt er die Palazzi, deren Ausstattung und Kunstschätze und das Leben in dieser Stadt vor vielen Jahrhunderten. Casanova lebte in dieser spektakulären Zeit, in der manch adelige, verheiratete Dame ihren Cicisbeo hatte. Das waren junge, männliche, charmante Begleiter, die schon am frühen Morgen ihre Aufwartung machten und den Damen nicht nur beim Ankleiden zur Hand gingen. Deren Ehemänner gingen während dessen ihrer Arbeit nach. 

Bei einem Besuch in Harry's Bar gibt es dann noch einige Geschichten über Hemingway und natürlich darf auch das Rezept für den berühmten Bellini nicht fehlen.

Das, mit etlichen Farbfotos illustrierte Buch, war die perfekte Lektüre für einen kalten, winterlichen Sonntagnachmittag. Eine Liebeserklärung an Venedig, seine Geschichte und seine Bewohner. Der Autor hat die Atmosphäre dieser Stadt, ihre Gerüche, ihren Klang so wunderbar stimmig eingefangen, dass ich es kaum erwarten kann, seinen Spuren zu folgen.







Freitag, 22. März 2013

Die Erdfresserin - Julya Rabinowich

Julya Rabinowich erzählt die Geschichte von Diana. Diana ist eine jener unzähligen Frauen aus Osteuropa, die in den Westen pendeln, um hier das Geld zu verdienen, mit dem sie ihre zurückgebliebenen Familien ernähren. Im ersten Teil des Buches erfahren wir in Rückblenden und kurzen Dialogen, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind, ihre Lebensgeschichte.

In einer bildreichen und poetischen Sprache lässt die Autorin Diana von der Kindheit in einem kleinen Dorf in der ehemaligen Sowjetunion erzählen. Von dem belesenen und auf rätselhafte Weise verschwundenen Vater und dessen großer Bibliothek, die ein ganzes Zimmer einnimmt. Hier findet sie ein Buch, das ihr Vater ihrer Mutter gewidmet hatte "Der Golem". Die Erzählung von diesem magischen Wesen beeindruckt sie zutiefst und nachhaltig. Sie erzählt von der kalten und strengen Mutter, die unbeirrbar auf die Rückkehr des Vaters wartet, von ihrer verbitterten Schwester und ihrem geistig behinderten Sohn, der, so wie sie, ohne Vater aufwächst.

Gegen den Willen der Mutter studiert sie Theaterregie, findet aber keine Arbeit als Regisseurin und somit auch keinen Ausweg aus der Tristesse. Lautstark verlangt ihre Mutter,

dass sie als älteste Tochter, als Nachfolgerin ihres Vaters, als eine die eine Ausbildung genossen hatte, Geld nach Hause bringen muss.

Über verschlungene Wege gelangt sie nach Wien, wo sie im Rotlichtmilieu landet. Der Geschäftsführer einer Bar bietet ihr Arbeit an - auf einer anderen Bühne, als der erhofften.

Das verdiente Geld bringt sie in regelmäßigen Abständen nach Hause. Ihre Schwester wirft ihr das "herumhuren" vor, und doch nimmt sie das Geld und die mitgebrachten Geschenke mit offenen Händen.

"Was machen Sie, wenn Sie das Gefühl haben, nichts geht mehr?" "Ich habe kein solches Gefühl." "Waren Sie denn nie verzweifelt?" "Das muss man sich leisten können."
Diane kann es sich nicht leisten. Sie muss ihre Familie versorgen. Doch die Wut darüber, ihr Leben nicht so leben zu können, wie sie es möchte, kommt immer wieder in einzelnen Passagen zum Vorschein. Diese Wut und das Leben das sie führt, machen sie hart - im Innen und Außen. 

Ablenkung findet sie nur in der Literatur Shakespeares und Dostojewskis. Das Buch "Der Idiot" trägt sie immer bei sich und liest so oft als möglich darin.

Im Zuge einer Amtshandlung in der Bar in der sie arbeitet, lernt sie Leo kennen. Einen gutmütigen, abergläubischen Polizisten. Weil er, laut seinem Horoskop, an diesem Tag eine gute Tat verrichten muss, lässt er sie laufen. Auf Betreiben Leos, gehen die beiden eine sehr ambivalente Beziehung ein. Für kurze Zeit kehrt ein wenig Ruhe in ihr Leben ein. Durch die Erkrankung Leos und seinen Tod findet diese Ruhephase nach wenigen Monaten ein jähes Ende.

Mit seinem Tod endet der erste Teil des Buches und gleichzeitig die Widerstandskraft Dianas. Beim Besuch seines Grabes erleidet sie einen Zusammenbruch.

Im zweiten Teil der Erzählung befindet sie sich in einer Klinik und erzählt von den Gesprächen mit ihrem Psychotherapeuten. Sie genießt die Ruhe die sie hier umgibt, das Umsorgt werden. Letztlich auch die Sicherheit vor der Abschiebung. In einem Gespräch das Diana mit einer Sozialarbeiterin führt, sticht die Autorin sehr drastisch in die offene Wunde "Asylpolitik" - da sie "nicht wenigstens vergewaltigt worden ist", hätte sie auch keine Chance auf Asyl in Österreich.
In einem Telefonat mit ihrer Schwester erfährt sie, dass ihr Sohn in eine staatliche Pflegeanstalt gebracht wurde und sie dringend Geld für die Ärzte benötigen. Sie flieht aus der Klinik, um nach Hause zu gelangen.

Sie verirrt sich, fällt zurück in ihre Wahnvorstellungen. Irgendwann werden ihr die Bücher, die die letzte Verbindung zu ihrer Vergangenheit darstellen, zu schwer, hängen wie ein großes Gewicht auf ihrem Rücken. Sie wirft sie in einen Bach, verabschiedet sich durch diesen symbolischen Akt von ihrer Vergangenheit.
Aus ihrem Blut und Lehm formt sie einen Golem. Der Golem, der sich, so wie auch die Erde, als mythisches Leitmotiv durch die Erzählung zieht und um den sich das Buch ihres Vaters, das er der Mutter gewidmet hatte, dreht. Sie gibt ihm den Auftrag, sie heim zu bringen - wo immer das auch ist. Ein letzter, bereits vom Wahnsinn gezeichneter Versuch, Regie zu führen. 
Grandios, wie in diesem letzten Teil der Erzählung, der innere Monolog Dianas, ihr Verfall, dargestellt wird.

"Die Erdfresserin" ist ein außergewöhnlicher Roman einer mutigen, aber innerlich einsamen Frau, die sich trotz aller Widrigkeiten nicht besiegen lässt. "Es gibt welche, die bleiben liegen", sagt sie. "Ich gehöre zu denen, die aufstehen und weitergehen.

Der Roman beeindruckte mich nicht nur durch die poetische Sprache und die brisante Thematik, sondern vor allem durch die sensibel gezeichnete Hauptfigur. Durch die Erfahrungen die die Autorin als Dolmetscherin bei Therapiegesprächen hat, hat sie eine Lebensrealität gezeichnet, die uns im Alltag umgibt, die wir aber unterhalb unserer Wahrnehmung verlaufen lassen.

"Die Erdfresserin" ist kein leichtes Buch, aber mich hat es, durch die großartige Erzählkunst der Autorin, von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen.



Montag, 18. März 2013

Matildas Erfindungen - Erika Pluhar

Dieses Buch fand ich vor kurzem in einer Bücherkiste auf dem Flohmarkt. Ich kaufte es ohne großartig reinzulesen, einfach deswegen, weil ich bereits einige Bücher von Erika Pluhar gelesen habe und ihren Erzählstil sehr schätze.

Beim Lesen der ersten Seiten war ich, zugegebenermaßen, etwas irritiert, denn die Geschichte beginnt doch sehr grotesk. Meine anfänglichen Bedenken lösten sich aber schnell auf, denn die Erzählung ist unglaublich spannend.

Matilda, die Protagonistin, ist eine junge Frau von zweiunddreißig Jahren, die sich immer wieder in ihre flimmernde, bunte Phantasiewelt flüchtet. In ihrer Welt werden die Regenschirme der Passanten zu Wasserrosen, das Stiegenhaus wird zu einem Vogelkäfig in dem kleine, violette Vögel fliegen und auf dem Kopf ihrer Mutter sieht sie einen Haselstrauch wachsen. Ihr Ehemann Anton hat so seine Not, mit diesen Traumwelten zurecht zu kommen. Er möchte, dass sie in seiner Realität, dem wirklichen Leben, lebt. Er vertraut sie dem Psychotherapeuten Dr. Schrobacher an, in der Hoffnung, dass es diesem gelingt, Matilda in seine Welt zu holen. Doch auch Dr. Schrobacher scheitert an dieser Aufgabe. Denn Matilda möchte sich nicht helfen lassen. Im Laufe der Geschichte erfahren wir auch, warum sich Matilda in ihre Traumwelt zurückzieht und die Wirklichkeit ausklammert.

Anton verzweifelt immer mehr an der Situation und fühlt sich in seiner Realität verlassen. Schmerzhaft spüren beide, dass ihre Ehe, ihr Zusammenleben immer fragiler wird und nur mehr durch die Erotik zusammengehalten wird. Dr. Schrobacher hingegen gerät immer mehr in den Bann seiner Patientin, ihrer dreisten Offenheit, ihrer Erotik und ihrer Phantasien.

Natürlich lässt die Autorin nicht zu, dass sich hier eine simple Dreiecksgeschichte entwickelt. Sie bringt Pauline ins Spiel. Pauline ist eine Nachbarin von Matilda, Schriftstellerin, und wie sich herausstellt, die Exfreundin von Dr. Schrobacher. Matilda freundet sich mir ihr an und in dem nun folgenden Strudel von Ereignissen prallen Phantasie und Wirklichkeit, Wahn und blutrote Energie aufeinander.

Erika Pluhar schrieb hier die Geschichte einer Frau, die von der, von ihr so lange verdrängten, Realität überrollt wird und sich ihr nun stellen muss. Es ist eine Geschichte über weibliche und männliche Abhängigkeiten, seelische Abgründe und ungeheilte Verletzungen, Aufbruch und Selbstbestimmung und über die Frage, wieviel Phantasie die Realität verträgt.

Wenn man seine Bedenken wegen der anfänglich doch merkwürdig erscheinenden Erfindungen von Matilda zur Seite legt, bekommt man einen überraschenden, absolut lesenswerten Roman zu lesen, der dazu anregt, der Phantasie wieder mehr Raum in unserem Alltag zu geben. 

Matildas Erfindungen ist ein sehr früher Roman der Autorin, er erschien bereits 1999.